Neue Befahrensverordnung für das Wattenmeer (NordSBefV) tritt in Kraft

Das Watt ist nicht mehr barrierefrei!

Pünktlich zum Saisonstart hat das Bundesverkehrsministerium verkündet, dass die neue Befahrensregelung mit Datum vom 28. April 2023 in Kraft tritt.

Neue Befahrensregelung im Wattenmeer? Warum das denn? Diese Fragen stellten sich viele Wassersportler vor ungefähr 10 Jahren, als die ersten Ideen und Infos der Nationalparkverwaltungen und der Gesetzgeber öffentlich wurden. Bislang galt und gilt (bis jetzt) die 3 Stunden Regelung, d. h. bis 3 Stunden vor bis 3 Stunden nach Hochwasser darf das Wattgebiet (Zone 1) mit Booten befahren werden. Diese für alle Wassersportler einfach umzusetzende und in unseren Augen gut bewährte Regelung sollte umgestoßen werden? Für viele von uns unverständlich, da Segler sich nach eigener Wahrnehmung an die geltenden Regeln im Wattengebiet halten und sich für den Umweltschutz engagieren (z.B. Müllsammlungen auf Minsener Oog). Beides eine gut funktionierende Kombination.

Die ersten Entwürfe der durch die Politik und der Nationalparkverwaltungen erarbeitete neue Befahrensverordnung sorgten für großen Protest, da die Wassersportler komplett aus dem Wattengebiet ausgeschlossen werden sollten, ohne hierfür eine konkrete Begrünung zu liefern. Um den kompletten Ausschluss der Wassersportler aus dem Wattengebiet zu verhindern, bildete sich 2015 aus den Reihen von Soltwaters Mitgliedern die „Arbeitsgruppe Befahren“.

Die 12 köpfige Gruppe von erfahrenen Wassersportlern aus dem Wattenrevier versuchte seither in vielen kleinen Schritten und Gesprächen mit den zuständigen Behördenmitarbeitern, den betroffenen Wassersportlern und den Nationalparkverwaltungen an einer möglichst für alle Parteien vertretbaren Regelung zu arbeiten.

Nach zahlreichen Diskussionen und Abstimmungen mit Beteiligten der Wassersport- und Naturschutzverbände wurde ein Referentenentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium immer wieder angepasst, nicht immer mit Erfolg, denn am Ende wurden nicht alle von uns gewünschten Anker/Trockenfallplätze und Routen in die nun verabschiedete Befahrensverordnung übernommen.

Besonders betroffen sind Segler im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer: dort ist nun in etwa zwei Dritteln des trockenfallenden Watts zwar das Befahren bei Hochwasser erlaubt, das Trockenfallen allerdings verboten. Hier wurde der ursprüngliche Entwurf der Politik / Nationalparkverwaltungen fast komplett übernommen, als „Ausgleich“ wurde der Verbleib an einigen wenigen Punkte genehmigt. Für Schutz suchende Sportskipper könnte damit die Sicherheit in diesem Bereich in kritischen Situationen nicht mehr gewährleistet sein.

Auch in Niedersachsen sind jetzt fast die gesamten Küstenbereiche am Festland und auf den Inseln als „besondere Schutzgebiete“ ausgewiesen, wovon insbesondere die Kajakfahrer und Jollensegler betroffen sind.

An ausgewiesenen Plätzen ist es auch nach der neuen Verordnung weiterhin möglich zu ankern und trocken zu fallen. Auch können bestimmte „Traditionsrouten“ weiterhin befahren werden. Diese heißen jetzt Schutzgebietsrouten und ermöglichen das Befahren eines besonderen Schutzgebiets außerhalb von gekennzeichneten Fahrwassern. Hierzu gehört zum Beispiel auch die Blaue Balje östlich von Wangerooge.

Nach §8 Absatz 6 der neuen Verordnung ist es im Falle eines Seenotfalls, zur Vermeidung sonstiger Gefahren für Leib und Leben oder zum Ausweichen aufgrund eines herannahenden Gewitters mit Starkwindgefahr, erlaubt die Schutzgebiete zu befahren sowie sich dort auch aufzuhalten.

Der neuen Befahrensverordnung liegt ein Anhang bei, in dem auf mehr als 270 Seiten sämtliche Koordinaten der Schutzgebiete aufgelistet sind. Manuell wird sie wohl kein Segler in seine Seekarten übertragen können. Zwei ebenfalls beigefügte Übersichtskarten (Nordfriesisches Wattenmeer und Ostfriesisches Wattenmeer) lassen nur grob erkennen, wo was erlaubt oder verboten ist. In die amtlichen Seekarten sollen die Änderungen erst im nächsten Jahr übernommen werden. Das Papier, samt wuchtigem Anhang erscheint nicht nur optisch wie ein Beispiel für die bürokratische Überregulierung – angesichts einer zurzeit überschaubaren Anzahl an Wattfahrern, von denen zudem ein Großteil ohnehin die vorgegebenen Wattenwege und Fahrwasser nutzt, die von der Regelung nicht betroffen sind.

Die Regelungen schränken den Wassersport massiv ein. Mit der Notwendigkeit des weitergehenden Naturschutzes wurden sie von Anfang an begründet. Unsere oft gestellte Frage: „Welche Lebewesen in den neu ausgewiesenen Schutzgebieten besonders geschützt werden sollen?“ aber nie zufriedenstellend beantwortet. Keine Vogelart, deren Bestand gesichert werden soll und keine Notwendigkeit zu einem erweiterten Schutz der stets anwachsenden Robbenpopulation wurden für uns zufriedenstellend dargelegt. Unter der Bezeichnung „Besondere Schutzgebiete“ sammeln sich heute die früheren Vogelschutzgebiete, Pflanzenschutzgebiete (Seegrasflächen) und Robbenschutzgebiete.

Wir beobachten die Entwicklung nun weiter und engagieren uns für den Erhalt des Wattenmeeres, damit es auch zukünftigen Generationen erhalten bleibt. In zehn Jahren soll die Befahrensverordnung evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden. All jene von uns in die Diskussion eingebrachten Punkte werden wir bis dahin im Hinterkopf behalten und uns bemühen, mit den beteiligten Naturschutzbehörden und -verbänden zu der Wahrnehmung zu gelangen, dass wir auch gemeinsam am Schutz des Wattenmeers arbeiten können und nicht isoliert und schlimmstenfalls gegeneinander.

Angesichts der ersten Entwürfe zur neuen Befahrensverordnung könnte die Situation für uns Wattfahrer weit schlimmer sein. In dieser Sache müssen von allen Seiten Kompromisse eingegangen werden. Dennoch: ein wenig mehr Verhältnismäßigkeit in der Freiheit und – mit Blick auf die Sicherheit der Wassersportler hätten wir uns gewünscht.

Unsere Belange im Punkt Sicherheit werden wir weiterhin im Blick haben und hierauf auch hinweisen, denn Schnellfähren, Offshore-Versorger und Horizontalbohrungen im Wattenmeer unterliegen zurzeit keinen großen rechtlichen Beschränkungen, sorgen aber auch für eine verminderte Sicherheit der Wassersportler und haben u. U. negative Auswirkungen für die Natur.

Euer Soltwaters Team

Neue Befahrensregelung im Wattenmeer verkündet

in einer kurzen Mail wurden wir am 27. April 2023 informiert, dass die Verkündigung der neuen Nordsee-Befahrensverordnung im Bundesgesetzblatt erfolgt ist.

Den Text sowie die Anhänge findet ihr im BGBl. 2023 I Nr. 113 unter dem folgenden Link: https://www.recht.bund.de/eli/bund/BGBl_1/2023/113

Die Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung, also am Freitag, 28. April 2023 in Kraft.

Ihr könnt euch die neue Verordnung ansehen / durchlesen. Von unserer Seite wird die Verordnung jetzt geprüft.

Wir wünschen euch allen trotzdem ein schönes 1. Mai Wochenende

Euer Soltwaters Team

Befahrensregelungen im Wattenmeer – Soltwaters Positionspapier

Liebe Mitglieder,

mehr als dreißig Jahre ist es her, dass durch Befahrensregelungen die Wattfahrt für Sportboote sehr eingeschränkt werden sollte. Damals gelang uns in langen Diskussionen mit der Nationalparkverwaltung und dem Verkehrsministerium ein Kompromiss, der bis heute besteht: Segler dürfen zu bestimmten Zeiten das Watt auch jenseits der Fahrwasser befahren, Schutzzonen ausgenommen. Das erlaubt uns nicht allein, schönere oder günstigere Routen und Ankerplätze zu wählen, sondern kann auch durchaus eine sicherere Fahrt ermöglichen, wenn es ruppig wird im Watt.

Wir alle kennen das: Nichts hält besser als ein gutes Provisorium. Allerdings gab und gibt es immer wieder Bestrebungen seitens der Nationalparkverwaltung, die Wattfahrt weiter einzuschränken und Schutzzonen zu erweitern.

Seit 2017 ist Soltwaters e.V. für das Bundesverkehrsministerium anhörungsberechtigter Verband bei Fragen zur Befahrensregelungen. Das bedeutet nicht, dass wir deutlich mitbestimmen können. Aber: beim Erlass neuer Befahrensregelungen ist das Einvernehmen aller Beteiligten Vorgabe des Ministeriums. Wir konnten 2017 mit Verweis auf zahlreiche Mängel im Antrag der Nationalparkverwaltungen einen solchen Konsens aller Beteiligten verhindern und damit den heutigen Status aufrecht erhalten. Seitdem haben wir Kontakte zu Abgeordneten und Fachleuten aufgebaut, unsere Broschüre zur sicheren Wattfahrt erstellt, Vereine mobilisiert und auf Bootsmessen informiert. Zusammen mit unserem Verhaltenskodex für Wattfahrer, der unser umfassendes Verständnis für die Schutzwürdigkeit des Watts und seiner Bewohner ausdrückt, und unseren regelmäßigen Müllsammlungen am Minsener Oog zeigen wir überzeugend auf, dass Mensch und Natur im Watt kein Widerspruch sein müssen.

Wie geht es weiter?

Weiterhin schwelen die Pläne zur Erweiterung der Schutzzonen. Schon für dieses Jahr waren neue Verhandlungen geplant, die aber pandemiebedingt zunächst zurückgestellt wurden. Für die nahe Zukunft bereiten wir uns auf zwei mögliche Szenarien vor. Das eine, einfachere, wäre der Verzicht auf weitere Verordnungen mit dem Hinweis auf ein fehlende Begründung für die weitergehende Schutzbedürftigkeit. Das andere wäre eine Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums zu dem Antrag. Für den letzteren Fall haben wir bereits Rücklagen für Klagen und Kontakt zu einem versierten Anwalt aufgebaut. Wenngleich es auch kaum jemand bemerkt, bleibt es spannend.
In unserem neuen Positionspapier könnt ihr im Detail alles nachlesen.

Wir alle möchten das Wattenmeer weiterhin in den derzeit erlaubten Bereichen befahren dürfen. Soltwaters hält weiter gut Ausschau und zieht die Schoten dicht, wenn es gefragt ist. Wir freuen uns über Eure Unterstützung als Mitglieder und Vereine. Sagt das gern weiter, bitte. 

Eure Ursula Meer